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Real life isn´t fucking Instagram

Eigentlich wäre Instagram voll mein Ding. Schöne Menschen zeigen sich an schönen Orten, in schönen Wohnungen mit schönem Essen und schönen Tieren und schönen Kindern. Hach, alles so schön da. Ich liebe es schon seit meiner Kindheit, in Hochglanz-Frauenmagazinen zu blättern und träume von lichtdurchfluteten Beach-Houses in Malibu und Villen in den Hamptons, die dazugehörigen Outfits und Looks à la Olivia Palermo natürlich inklusive. Gern natürlich auch ihren Body. Und ihre makellose Haut. Und das Haar erst. Ups, ich schweife ab. Jedenfalls hat sich an meiner Vorliebe für bunte Mode / Lifestyle / Interieur-Blättchen nichts geändert.


Und dann gibt´s ja heute auch noch dieses Instagram. Und all die anderen ähnlichen Plattformen, wo all die Beautys dieser Welt ihren beautiful Lifestyle inszenieren. Instagramer nennt man auch Blogger, und aus dem Zeig-her-was-du-hast-Foto-Spiel ist ein boomendes Business entstanden. Im nächsten Leben werde ich Instagramer, so viel ist klar. Sich teure Klamotten (auch Kosmetik, Einrichtungsgegensände und und und ) schicken lassen, die man für umme tragen darf, zack, ein Photo, zack auf Instagram, und zack wandert diskret die vorher mit der Klamotten-Schick-Firma vereinbarte Summe auf dem Konto. Bei Facebook kann man ja wenigstens noch erkennen, ob ein Post nun "echter redaktioneller Inhalt" oder eben ein "sponsored post" ist. Bei Instagram nicht.


Ich kenne selbst einige erfolgreiche Instagramer, und ich staune einfach nur immer wieder. Ich selbst habe Instagram nie als Medium für mich empfunden, weil mein Medium das Wort und die Sprache ist. Ich schaue mir gern schöne Bilder an, bin aber ein miserabler Fotograf. Trotzdem war ich neugierig und habe mich vor Kurzem bei Instagram registriert. Nun hatte ich also auch einen Account. Und ich fragte mich, verdammt, was soll ich jetzt hier posten? Ich bin weder mega sportlich und halte meinen Sixpack in die Kamera, noch mega Fashion Girl mit Chanel-Bag und Starbucks-Becher, noch Interiour Queen. Ich könnte vielleicht mein Essen fotografieren, weil ich koche und backe wirklich gerne. Aber das ist so yesterday. Also bleibt mein Account vorerst leer. Statt dessen habe ich mich in all den anderen Accounts, die mir Instagram anhand meines Interessenprofils so vorschlagen hat, mal durchgeklickt. Und ja, da waren unglaublich viele tolle Bilder dabei, die mich ansprachen, die mich sehnsüchtig nach einem anderen Leben werden liessen. Ich wollte all das, was da gezeigt wurde (tolle Bodies, tolle Klamotten, tolle Häuser) auch alles haben. Ich bin von einem Account zum anderen gehüpft, habe fremder Menschens Leben bewundert und bestaunt. Und irgendwie war ich völlig überfordert. Diese Vielzahl an Bildern, die nie weniger wird, hat mich fertig gemacht. Instagram ist wie eine Hydra. Schlägst du ein Kopf ab, wachsen 7 neue nach. Guckst du dir ein Bild an, versinkst du wenig später in der Bilderflut. Das kann süchtig machen. Immer neue Bilder, immer neue Impulse. Nach einer Weile bin ich geflüchtet aus dieser Bilderwelt. Das ist wie in einen Zeitschriftenladen zu kommen, in dem es eine Million Blättchen gibt, die du alle lesen und angucken willst. Und wenn du eine Zeitung genommen hast, rutscht die nächste schon nach. Und das frustrierende daran ist die Gewissheit, dass man gar nicht alles konsumieren kann, was man gerne in dieser Bilderflut konsumieren will.


Nachdem ich mich aus dem Picture-Wonderland verabschiedete hatte, schaute ich mich bei mir in meiner Wohnung um. Ich liebe unsere Wohnung. Und wir geben uns auch Mühe, dass alles halbwegs ordentlich ist, halbwegs sauber, und unsere Einrichtung ist auch schön, finde ich. Wir sind überhaupt keine Interiour-Experten, das eine oder andere nette Teil, ansonsten eher verspielt und vor allem pragmatisch. Wir fühlen uns wohl und finden es gemütlich bei uns. Unsere Wohnung ist unser Nest. Trotzdem ist unsere Wohnung alles andere als Instagram-tauglich. Weil es gibt zig Ecken, die man schon seit Jahren verbessern will, aber einfach nicht dazu kommt. Die furchtbare Kruschtel-Ecke unter der Treppe. Das verratzte Holz auf dem Balkon. Die Spielecke im Wohnzimmer. Die vertrockneten Blumen auf dem Balkon. Und und und. Von all dem ganzen Alltags-Kram, der sich nun mal in einer echten, echt bewohnten Wohnung einer echten Familie mit Kind und Hund so befindet, mal ganz abgesehen. Müllsäcke, die rumstehen. Lego und Ritter und Autos und Kuscheltiere in der ganzen Wohnung verteilt. Kabelsalat. Staubflusen. Hässliche Kleinkind-Klobrillen. Überhaupt ist so ziemlich jeder Kinderkram in der Wohnung, nun ja, hässlich. Ich hasse zum Beispiel wenn die Carrera-Bahn aufgebaut wird. Zerknautschte Handtücher, die einfach so dahängen und nicht toll drapiert sind. Rumfliegende Zahnbürsten. Nasse Waschlappen überm Beckenrand. Vollgestellte Spülen mit schmutzigem Geschirr. Taschen mit Leergut. Kram, der überall rumfliegt. Ach, ich könnte die Liste endlos fortführen. Wir leben nun mal in unserer Bude. Und wo Leben ist, ist Chaos.


Und wenn ich mal einen Blumenstrauß irgendwo hinstelle, dann ertappe ich mich dabei, wie ich automatisch irgendwelchen Kram ringsum drapiere, und dann ein Foto mache. Oder wenn ich wieder was Feines gekocht oder gebacken habe, mache ich ein Foto davon. Oder zwei. Oder drei. Bis der perfekt inszenierte Schnappschuss (ein Widerspruch in sich) dabei ist. Und dann denke ich: Wow, that´s so instagram! Und dann denke ich: Nee. Albern. Ich behalte das Bild, als Erinnerung für mich. Aber ich poste es nicht.


Und dann werde ich manchmal richtig wütend auf diese ganze Instagram-Scheiße. Denn all die vielen Dinge des täglichen und vor allem echten Lebens und täglichen Bedarfs sind nun mal nicht sexy und instagram-geeignet. Wäre Instagramer mein Job und ich würde dafür bezahlt, Schnappschüsse aus meinem akkurat-hippen Leben mit der Welt zu teilen, gut, dann könnte ich das echte Leben schon irgendwie verbannen aus meiner Wohnung und diese in einen cleanen Showroom verwandeln. Aber ist nun mal nicht. Ich habe andere Jobs. Und davon genug. So wie echte Frauen eben keine gephotoshopten Models sind, so sind echte Wohnungen mit echtem Leben drin eben keine Kulissen für Instagram-Träume.


Klar zeigt man sich im Netz von seiner besten Seite. Ich als Facebook-Uschi poste natürlich auch nur vorteilhafte Bilder von mir (bzw. Bilder von denen ich denke dass sie vorteilhaft sind) und zeige nicht all die vielen Fehlversuche, auf denen ich Falten, Pickel und Pfannenkuchengesicht habe. Natürlich poste ich nur Erfolgstories. Warum sollte ich posten, dass ich im Dispo bin, 4 Kilo zugenommen habe und überhaupt alles Scheiße ist?


Ich bin wütend auf Instagram, weil es noch eines dieser Folterwerkzeuge mehr ist, das uns täglich eine Illusion von einem Leben vorführt, das nicht echt ist. Und dafür sorgt, dass wir jedes Mal ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn wir die Mülltüten und Wäscheberge in unserer Bude sehen. Dann haben wir nicht nur nicht die perfekte Figur, die perfekte Haut, das perfekte Gesicht, das perfekte Haar, den perfekten Mann, das perfekte Kind, sondern eben auch nicht die perfekte Butze. Man, sind wir Loser. Heul, schluchz, schnief.


Bei den ganzen Zeitschriften ist einem ja immer klar, hey, das sind die Stars und Models und Reichen und Schönen, die da gezeigt werden und die wir da bewundern dürfen. Das sorgt für eine gewisse Distanz. Man träumt ein bisschen, aber hey, das normale, echte Leben ist eben anders. Aber jetzt, wo selbst der dicke Olaf von nebenan seine picobello aufgeräumte Butze zeigt, wo Schwarz-Weiß-Fotobände nonchalant auf den hellen Dielen liegen und demonstriert, dass er Green Smoothies aus dicken Einweckgläsern mit rot-weiß gestreiftem Papierstrohhalm trinkt, da denkt man sich doch dann auch, wenn man aus seinem verkalkten Glas mit Rissen aus der zusammengewürfelten Geschirr-Sammlung seine schnöde Apfelschorle in sich reinkippt: Verdammt! Was mache ich falsch? Warum kriege ich keinen Lifestyle-Lifestyle hin?


Ich wünsche mir Instagram-Accounts, die das echte Leben und das echte Chaos zeigen. Ich mach mal den Anfang und zeige wirklich und wahrhaftig nicht inszenierte echte Schnappschüsse aus einer echten Wohnung in der echt gelebt wird. Und wenn ich mir das Chaos so anschaue, dann finde ich, dass nichts schöner ist als das echte Leben. Mit all seinen Makeln, Zahnpastatuben, Kabelsalaten und Müllbeuteln. Und hey, ich hab´sogar ne groovy Pic-Collage draus gemacht. Isn´t that fucking instragram?





















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