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ICH BIN EINE RABENMUTTER

  • henriettefraedrich
  • 24. Sept. 2013
  • 5 Min. Lesezeit

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Vor ein paar Wochen habe ich einen zugegeben etwas süffisant-hämischen Blogbeitrag über die Urlaubsfreuden mit einem Kleinkind geschrieben. Die Kommentare auf meiner Facebook-Seite bestätigten, dass es vielen Eltern durchaus ähnlich geht, und ich war echt froh, nicht die einzige gestresste Mutter zu sein. So hieß es in den Kommentaren u.a.:


  • Aaaaahahahaha!!!!!! Ich weiß genau, worüber Du schreibst ....

  • HERRLICH!! Mir kommt ALLES bekannt vor! Das mit dem Ipad find ich super - minimiert mein latent schlechtes Gewissen deshalb!

  • Wir sind doch alle Rabenmütter. Wir fahren vorerst auch nicht mehr in den Urlaub, zu stressig. Unser Sohn war auch der Einzige, der bei jeder Hotelmahlzeit aufs Smartphone geguckt hat....

  • iPads sind großartig, aber noch besser: zwei DVD-Player für die Rückbank. Natürlich mit Kopfhörer. Sonst stürzt das Auto nämlich nach 7stunden von der Klippe, wenn der erwachsene Fahrer sich bis dahin nonstop "Karius und Baktus" anhören musste...

  • Mein Reden - und ich dachte, ich bin bescheuert.

  • Eine Seelenverwandte! Du schreibst mir aus dem Herzen. Du warst aber leider erst in der Vorhölle. Es gibt noch eine Steigerung: Urlaub mit zwei Kleinkindern! Aber zu laut darf man das ja nicht sagen. Also: Alles wird gut!


Zudem machten auch Freunde und Bekannte immer einen gestressteren Eindruck, wenn sie vom Urlaub mit ihren Kids ZURÜCK kamen und rollten mit den Augen, wenn man fragte "Na, wie war´s?". Weshalb ich wage zu behaupten, dass - fast - alle Eltern Urlaub mit Kleinkindern nicht gerade als die schönste Zeit im Jahr empfinden.


Und dann bekam ich diesen Kommentar, natürlich anonym:


"Wenn ich Ihre Geschichten über Ihr Elterndasein lese, frage ich mich immer, warum Sie überhaupt ein Kind haben, wenn Sie alles nur negativ betrachten. ... Mein Tipp, schauen Sie einmal in den Spiegel und überdenken dabei Ihre Lebensqualität und Ihre Ausgeglichenheit. Für wen sind Sie eher da, für Ihr Kunden und Mandanten oder für Ihr Kind? Wen verstehen Sie besser und warum ist das so? Wenn Sie das einmal machen, werden Sie von Ihr Kind besser verstehen und die Kindererziehung als Spaß verstehen. Ein letzter Satz. So wie Sie über Ihr Kind und den Stress schreiben, könnte man meinen Sie sind eine Rabenmutter und da hilft auch kein Augenzwinkern."


Nun muss man natürlich gerade heute, im Zeitalter der anonymen Internet-Motzer und Shitstormer, immer damit rechnen, Kritik einstecken zu müssen, sobald man seine Meinung öffentlich äußert. Ist ja auch okay, und ich bin realistisch genug, zu wissen, dass nicht jedem, was ich mache, was ich schreibe, wer ich bin, wie ich mich verhalte, wie ich mich äußere, gefällt. Logisch. Und darum geht es mir auch gar nicht, dass ich mich darüber beschweren will, dass mich hier offensichtlich jemand doof findet.


Was mich aber durchaus stutzig gemacht hat, ist die Aussage, ich sei eine Rabenmutter und die Frage, warum ich denn überhaupt Kinder habe

- nur weil ich eben, wie, so behaupte ich, jede normale Mutter (und jeder Vater auch, apropos, ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es den Begriff "Rabenvater" gar nicht gibt ...?), auch mal gestresst und genervt bin. Und das offen zugebe. Und natürlich auch mit Humor nehme. Aber offensichtlich darf man das nicht. Böse, böse, böse. Es scheint immer noch ungeschriebenes Gesetz zu sein, sich niemals nie über sein Dasein als Mutter bzw. den damit verbundenen Stress auch mal beschweren zu dürfen. Sofort kommt dann die keulenschwere moralklebrige Vorwurfs-Klatsche: "Tja, warum hast du dann Kinder, häh?!".


Gerade als berufstätige Mutter muss man sich immer die hämische Frage stellen lassen, was einem denn wichtiger sei - Kind oder Karriere. Was eine völlig bescheuerte Frage ist, weil Kind und Karriere zwei völlig verschiedene Baustellen sind und letztlich nichts miteinander zu tun haben, und auch nicht in "Konkurrenz" miteinander zu stehen haben und die Wertigkeit absolut nicht aufzuteilen ist zwischen beiden. Beides verdient 100%. Beides ist wichtig. Hätte der Kommentator auch so einen Kommentar geschrieben, wäre ich ein Mann?


Mich ärgert auch immer wieder das Bild, das man offensichtlich immer noch von einer "guten Mutter" hat, und das Bild scheint immer noch einzementiert zu sein, es stammt aus den 50er Jahren oder sogar aus noch früheren, schwereren dikatatorischen Zeiten, wo sich die Mütter nicht nur für die Familie aufopferten sondern gleich für ein ganzes Reich mit.


Die gute Mutter: Aufopfernd. Kümmert sich zu 100% um ihr Kind. Ist gütig und weise. Flippt nie aus, ist nie genervt und geht voll und ganz in ihrer Rolle als Mutter auf. Nie wollte sie etwas anderes. Alles andere (Karriere, das eigene Aussehen, der eigene Spaß auch ohne Kind, eigene Wünsche und Bedürfnisse) ist unwichtig, es hat nicht mehr zu existieren. Sie stellt ihre eigene Mutterrolle (und auch die des Vaters) nie in Frage. Mutter Theresa eben. Lady Di. Feengleich schwebt sie durchs Kinderzimmer, und lächelt selig beim Spielen mit ihren Kindern, wobei es ihr natürlich nie langweilig wird. Sie bereitet immer marktfrisches Gemüse und Biofleisch zu, schimpft nie und hat so viel Geduld, dass selbst Engel noch von ihr lernen könnten. Zudem versorgt sie den hart arbeitenden Ehemann mit Streicheleinheiten, gutem Sex, warmen Kartoffeln zu Mittag und warmen Pantoffeln am Abend, beschwert sich nie, motzt nie. Heimchen am Herd. Nur wenn man diese Qualitäten erfüllen kann, ist man wohl in den Augen vieler eine gute Mutter.


Tja, wenn das so ist, ja, dann bin ich wohl eine Rabenmutter. Denn ich habe auch komplett EIGENE Bedürfnisse, und will diese nicht hinten anstellen. Und nein, ich bin durchaus nicht immer gelassen, obwohl ich mir wünschte, es zu sein. Aber ich bin eben nicht das von der Werbe-Industrie der 50er-Jahre erschaffene Super-Weibchen ohne eigene Bedürfnisse (damals schien das einzige Bedürnis einer Frau wohl zu sein, sich nur um die Familie kümmern zu wollen), sondern eine moderne, junge Frau, die an all den unerfüllbaren Erwartungen der Familie, des Kindes, des Ehemannes, der Gesellschaft und auch vor allem an sich selbst durchaus manchmal verzweifelt. Bin ich eine gute Mutter? Bin ich eine gute Ehefrau? Bin ich immer noch eine tolle Frau? Bin ich ich? Tja, diese Fragen stelle ich mir durchaus auch. Jeden verdammten Tag aufs Neue.


Vielleicht hat ja der anonyme Kommentator auch einen klugen Tip, wie man das schafft, gelassen zu sein? Ich lese z.B. gerade den "Kleinen buddhistischen Erziehungsratgeber" - kann ich allen (sicher nur ab und zu mal) genervten Müttern nur empfehlen, die Frau spricht mir aus der Seele, großartiges Buch, das nur Mütter (und nicht Väter) verstehen werden.


Natürlich liebe ich meinen Sohn, so sehr, dass ich ihn immerzu anknabbern will, und so sehr, dass es schon fast weh tut. Klar ist er der wichtigste Mensch in meinem Leben. Neben meinem Mann. Und meinem Hund. Ich habe neulich einen tollen Artikel in der englischen Zeitschrift "RED" gelesen, der es wunderbar auf den Punkt brachte: Wie im Flugzeug, wenn man im Notfall sich die Atemmasken überziehen muss, und es heißt, bitte zuerst bei sich selbst, dann den Kindern überziehen, denn man kann den Kindern nicht mehr helfen, wenn man eine Rauchvergiftung hat, muss man auch im Alltag öfters zuerst an sich denken, bevor man sich seinen Kids und der Familie widmet.


In diesem Sinne: Kräh. Kräh. Kräh.


P.S. Und wenn ich die "perfekte gute Mutter" wie oben beschrieben wäre, käme sicher auch ein Kommentar: "Mann, sind Sie ´ne Glucke!" Deshalb liebe Mütter, zeigt allen da draußen, die sich anmaßen, über euch zu urteilen, in welcher Form auch immer, aber auch eurer eigenen sicher immer wieder zweifelnden Stimme, gerne mal gepflegt den Mittelfinger und summt Frank Sinatras Liedchen "I did it my way". Ich werde das auf jeden Fall versuchen.


 
 
 

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