ARME KATE!
- henriettefraedrich
- 18. Juli 2013
- 4 Min. Lesezeit
Seit ein paar Tagen habe ich einen Ohrwurm: "Drum bin ich froh, dass ich kein Royal bin ..." zur Melodie von Westernhagens Hit "Dicke".
Arme Kate. Jaja, ich weiß, es gibt ca. 1 Milliarde Menschen auf der Welt, die echtes Mitleid verdient haben, und denen es verdammt elendig geht. Aber dieser Tage hat Kate, Englands Königin in spe, mein echtes Mitleid.
Die Anteilnahme der Welt ist toll und irgendwie auch drollig. Und na klar wird man die News "Das Baby ist da!" wahrscheinlich wie Millionen andere auch, sofort anklicken, wenn es denn soweit ist.
Und schön auch, dass sich Millionen Menschen auf einen neuen Erdenbürger so sehr freuen, welches Baby kann das schon von sich behaupten, schon vor der Geburt dermaßen gehypt und von einem Empfangskomitee solch unfassbaren Ausmaßes begrüßt worden zu sein?
Aber gleichzeitig ist es auch so absurd. Da wird ein Klinikeingang seit Tagen überwacht und per Livestream ins Netz gestellt. Da scharren sich Hunderte von Fotografen um das Krankenhaus. Bescheuert ist das doch. Und respektlos.
Es gibt nichts intimeres als die Geburt des eigenen Kindes. Es ist ein unfassbares Abenteuer, überwältigend, heilig. Diesen Moment will man nur mit ganz wenigen Menschen teilen. So eine Geburt ist krass. Kein Spaziergang. Schmerzen. Angst. Anspannung. Aber auch Scham, na klar. Gut, ab einem gewissen Schmerz- und Wehenstadium ist einem dann letztlich alles egal, aber würdevoll gebähren, nun ja, vergiss es. Da passieren Dinge im Kreissaal, auf die man immer wieder mit größtem Staunen zurück blickt, man muss auch hinterher drüber lachen. Aber man ist froh, dass nur ganz wenige Menschen dabei waren. Absolut intim. Und magisch.
Natürlich ist da auch unbändige Freude. Nach 9 Monaten warten wird man bald sein Baby in den Armen halten. Und da macht die Natur mit einem was, das kann man einfach nicht in Worte packen, was da passiert. Und wenn man es geschafft hat, ist man nicht mehr derselbe Mensch. Seitdem ich ein Kind habe, bin ich einfach nur stolz, dass ich das geschafft habe. Mein Motto ist jetzt immer, wann immer es eine Herausforderung zu meistern gibt, oder es mal irgendwo zwickt und zwackt: Hey, ich hab´n Kind gekriegt, dagegen ist das hier Ponyhof.
Was mir für Kate deshalb so leid tut, ist, dass nun wahrscheinlich Millionen Menschen ihr Kopfkino starten. Und "Geburt" und "Gynäkologe" (Dass das Wort "Gynäkologe" bei BILD sogar im Startseitenaufmacher vorkommt, finde ich geschmacklos. Es gibt Dinge, die will und sollte man einfach nicht wissen.) als Kopfkinothema, nun ja.
Wie muss sich Kate wohl fühlen? Wahrscheinlich ist es ihr unter diesen Umständen gerade wirklich egal. Und ja, sie weiß ja, auf was sie sich da eingelassen hat, in dem sie den schmucken Prinzen ehelichte. Aber trotzdem. So von ehemaliger Frau in Wehen zu akuter Frau in Wehen: Die Vorstellung, ich bringe gerade mein Baby zur Welt, mit allem, was so dazu gehört, und ich weiß, da draußen, sind Hunderte Kameras auf das Gebäude gerichtet, wo ich gerade schreie und strampele, und die da draußen würden alles dafür geben, um auch nur einen Ton oder ein Bild dieses Vorgangs zu erhaschen, Halleluja, was für ein Graus! Kate muss echt ´ne coole Sau sein, nicht nur die Geburt durchzustehen, sondern zusätzlich auch noch diese immense Gaff-Gier. Man stelle sich mal vor, da wird aus meiner Geburt ein weltweites Medienereignis gemacht! Millionen Menschen ergötzen sich daran! Hilfe!
"Ich fand es ja schon unangenehm, als ich damals spätabends mit Wehen, auf dem Weg ins Krankenhaus, Nachbarn im Hausflur begegnet bin."
Ich fand es ja schon unangenehm, als ich damals spätabends mit Wehen, auf dem Weg ins Krankenhaus, Nachbarn im Hausflur begegnet bin. Ich wollte einfach niemandem in dieser "Zwischenwelt" begegnen. Und ich fand es herrlich entspannend, dass niemand großartig nachgefragt hatte "Und, und, wann geht´s denn endlich los bei dir?". Es war mein Ding, ging niemanden was an, außer meinen Mann und mich. Das war unsere Nacht. Mein Mann und ich und das Baby. Und wir haben beschlossen, wann wir der Welt da draußen "Hallo!" sagen. Und nicht andersrum.
Wahnsinnig intim ist auch der Moment, wo man mit seinem Baby das Krankenhaus verläßt - zum zweiten Mal erblickt Baby sozusagen das Licht der Welt - im wahrsten Sinne des Wortes. Man ist völlig durch den Wind, man hat schließlich gerade ein Kind bekommen, die Geburt hinter sich gebracht, man ist erschöpft, man ist voller Glück und Stolz, und dass man überhaupt laufen kann, hätte man vorher nie für möglich gehalten. Man fragt sich, wenn Leute an einem vorbei gehen: Sieht man mir an, dass ich vor wenigen Stunden noch in den Wehen lag? Sieht man mir an, was ich geschafft habe?
Aber man fühlt sich auch sehr komisch, weil die Welt ist genau die gleiche, wie an dem Abend, an dem wir ins Krankenhaus gekommen sind, aber gleichzeitig doch, mit dem Maxicosi an der Hand und dem neuen Erdenbürger drin, so komplett anders. Man ist nun eine Mama. Hammer. Unfassbar, nicht zu beschreiben. Auch dieser Moment ist magisch. Man will den Moment anhalten, konservieren, in Tüten packen. Der Satz "Weißt du noch, als wir dem Kleinen aus dem Krankenhaus gekommen sind", zaubert immer noch ein Strahlen und Lächeln auf unsere Gesichter, wenn mein Mann und ich uns daran erinnern. Auch dieser Moment war nur für uns. Und ich wünsche Kate und William so sehr, dass auch sie diesen Moment ganz für sich und in aller Stille genießen können - ohne Pressemeute und ohne Publikumssansturm.
Auf jeden Fall, liebe Kate, toi toi toi. Alle Frauen, die ein Kind bekommen haben, sind in meinen Augen absolute Heldinnen.
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