MÜTTERWIDERSPRÜCHE
- henriettefraedrich
- 5. Juli 2013
- 4 Min. Lesezeit
Liebe Mütter, kennt ihr das?
Da stehen wir morgens im Bad und wollen uns ganz IN RUHE - und das heißt nichts anderes als "nur wir uns selbst" fertig - und vor allem SCHÖN - machen. Denn auch als Mama wollen wir das sein, was wir vorher waren: HEISS.
Duschen, Eincremen, Haare Waschen, Föhnen, Schminken, das volle Programm eben. Wir brauchen dafür Ruhe, wollen nicht gestört werden, unseren Gedanken nachhängen, uns ganz egoistisch ein paar Minuten nur uns selbst widmen. Und wir beten zum Kosmetik-Gott, dass das Kind bitte noch ein Weilchen schläft.
Denn ein waches und Unterhaltung einforderndes Kleinkind lässt sich vielleicht mit ein paar Minuten Youtube und einer Flasche Kakao wenigstens für ein paar Momente ruhig stellen, aber um die ganze Beauty-Routine durchzuziehen, braucht es dann ein dickes Fell, starke Nerven und ausgeprägte Multitasking-Fähigkeiten.
Duschen statt gemütlich 10 Minuten auf 1 Minute Turbo-Einseifen und Speed-Haarewashing gekürzt. Schon in der Dusche hören wir das fordernde "Maaaaaammmiiiiii!". Wir atmen tief durch, und versuchen, uns nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und nicht zu hasten, aber es muss was Biologisches sein. Mütter können dieses "Maaaaammmmmiiiii!" einfach nicht ignorieren. Es versetzt uns sofort in Alarmbereitschaft und Stress. Mein Kind ruft mich, ich eile!
Das geplante Eincremen weglassen, dann nehmen wir halt den Rest des Tages juckende Haut in Kauf. Das neugierige Kind über den nassen Fußboden manövrieren und mit Argusaugen wachen, dass es nicht ausrutscht. Allzeit bereit für sprintende "ich-halte-mein-Kind-fest-und-rette-es-vor-Beulen"-Maßnahmen. Schnell anziehen, irgendwas, keine Zeit für langes Grübeln vorm Schlafzimmer-Schrank. Kleinkind steht daneben und betrachtet Mamas nackten Körper ausgiebig und neugierig. "Mama Büschte!" sagt es lachend, "Ja, genau, das sind Mamas Brüste!" "Auch Büschte!", sagt das Kleinkind, Sohnemann, wohlgemerkt, und zeigt auf seinen Bauch. "Ähm, nee, das ist dein Bauch, du hast keine Brüste!" "Auch Büschte!" Na gut, wenn du meinst, dann hast du eben auch "Büschte", denken wir, und quetschen uns in die Skinny-Jeans. Den stets prüfenden und kritischen Blick im Spiegel auf Bauchspeck und Schwabbeldellen lassen wir ausnahmsweise mal aus. Keine Zeit. Schließlich will Baby Kakao. Also schnell in die Küche gehechtet und dem Kind eine Flasche Kakao zubereitet (die er dann nicht anrührt). Begleitet von "Mamina, Kakao! Mamina, Kakao! Mamina, Kakao!" in Dauerschleife.
Ich habe dieses Verhalten übrigens das "Sprung-in-der-Platte-Phänomen" getauft. Und was uns Eltern so schrecklich nervt, ist nichts anderes als Entwicklung, habe ich mir neulich erklären lassen: Neurologische (oder waren es neuralgische?) Netze werden verknüpft, und das bedarf der ständigen Repetition. Mein Mantra, wann immer Baby mich mit diesem Verhalten zur Weißglut treibt (denn komischerweise ist es auch immer mit einem äußerst penetranten Tonfall verbunden): "Er lernt, er verknüpft neuronale Netze - OOOOHMMMMM!"
Weiter geht´s, wir sind ja immer noch nicht fertig. Schminken. Sohnemann findet die Make-Up-Bag höchst interessant, und er will am liebsten alles selbst ausprobieren. Ich habe ihm extra eigene Pinsel gekauft, damit er nicht mit Mamas teuren Pinsel das Klo abpinselt. Gezeter und Geschrei, weil er nicht mit Mamas teurem Chanel-Rouge spielen darf ("Malen! Malen! Malen!") - schweißtreibende Beschwichtigs- und Ablenkungsversuche folgen. Aber Baby ist hartnäckig. Nein, auch nicht die Dior-Mascara, das ist Mamas. Baby findet das zum Heulen.
"Fix und fertig sitze ich am Frühstückstisch und brauche drei Energy-Drinks. Und dabei hat der Tag erst angefangen."
Dann Haare föhnen. Zum Glück ist der Föhn auf volle Pulle, so dass ich das Gemotze von meinem Sohn nicht hören kann. Eins zu Null für Team Föhn und ich gegen Team Baby. Ich sehe nur sein wütendes Gesicht. Er will auch föhnen. Er hat am Föhn einen Narren gefressen und liebt es, sich stundenlang selbst zu föhnen und alles andere in seiner Nähe auch: Bett, Hund, Mama, Kissen, Autos, Bausteine. Ich habe ihm auch hier einen eigenen Zweit-Föhn gegeben, aber nein, es muss natürlich genau der sein, den Mama gerade benutzt.
Jedenfalls und kurzum: Nach einem solchen Morgen habe ich immer das Gefühl, einen Marathon gelaufen zu sein. Fix und fertig sitze ich am Frühstückstisch und brauche drei Energy-Drinks. Und dabei hat der Tag erst angefangen.
Und genau aus diesem Grund bete ich jeden Morgen, dass der Kleine noch ein Weilchen schläft, bis ich im Bad fertig bin. Und wenn ich dann doch seine Stimme höre, dann, oh weh - ich komme in die Mama-Hölle! - fluche ich. Ooch neeeee, ich will doch mal in Ruhe hier mich fertig machen, och nö, verdammt, verdammte Axt, und so weiter.
Und dann, dann mischt sich gleichzeitig die pure Erleichterung hinein: Denn auch wenn sein Stimmchen mich gerade zum Fluchen gebracht hat, ist es das schönste, was ich jeden Morgen höre. Es ist diese unausprechliche Erleichterung, jeden Morgen fällt uns von neuem ein Stein vom Herzen: Baby ist noch da, es ist über Nacht nichts passiert. Alles ist gut. (Habt ihr das auch, ihr anderen Mütter? Sich nachts an sein Bettchen schleichen, nur um ihn atmen zu hören?)
Und dann gehe ich zu ihm in sein Zimmer. Und dann sehe ich ihn da stehen in seinem Bettchen, in seinem niedlichen Baby-Schlafanzug, mit großen Kulleraugen guckt er mich an, lacht mich an, verstrubbelte Haare, rosige Bäckchen und es riecht überall nach Baby, nach meinem Baby. Eine Welle von Liebe und Glück durchströmt mich.
Aber mit meinem Chanel-Lippenstift darf er gleich trotzdem nicht spielen ;-) .
Comentários