SPIELPLATZTERROR: KINDER SIND ARSCHLÖCHER
- henriettefraedrich
- 25. Apr. 2013
- 8 Min. Lesezeit

Verehrte Leserschaft, dieser folgende Beitrag ist wahnsinnig politisch nicht korrekt. Ich mache mich an unser Heiligstes: Kinder! Ich werde die kleinen, zarten, unschuldigen Geschöpfe diffamieren, entlarven und mit den nackten Fingern auf sie zeigen. Denn, ja, jetzt wird es hart, Sie müssen ganz tapfer sein: Kinder sind Arschlöcher! Jetzt mal ganz im Ernst und ganz in echt! Oder zumindest ziemlich oft echt ziemlich unsympathisch, um es etwas weniger brisant zu formulieren. Kann man Kinder überhaupt unsympathisch finden? Oh ja, man kann. Und wie!
Vielleicht pflichten Sie mir sogar heimlich bei, denn öffentlich darf man so was natürlich niemals im Leben nicht von sich geben. Wir sind ja alle Gutmenschen und Kinder ja was ach so wunderbares! Ich weiß, ich begebe mich hier auf dünnes Eis, sehr dünnes Eis, aber ich stelle mich mit breiter Brust dem vielleicht bald auf mich hinabkübelnden Shitstorm entgegen. Denn ich finde, das MUSS einfach mal gesagt werden!
Kinder gelten ja gemeinhin als reine, zarte, liebevolle, unschuldige, grundehrliche und gar liebenswürdige Geschöpfe. Hahaha! Dass ich nicht lache! Von wegen! Denn das, was ich bisher in Sachen kindlicher Sozialkompetenz auf Spielplätzen erlebt habe (Ich bin Mutter eines 1,5 jährigen Sohnes, der Buddeln, Rutschen, Klettern und Schaukeln natürlich echt dufte findet.) geht auf keine Kuhhaut. Ich bin jedes Mal schlicht sprachlos, was für eine gnadenlose Hackordnung auf den Kindertummelanlagen gilt, wie sehr dort gestänkert, gemotzt, gezetert, gemobbt, gezankt und geprotzt wird. Da geht´s zu wie in der Wildnis! Wie im wilden Westen! Das Recht des Stärkeren ist alles. Und wären nicht die Eltern da als einschreitende Hilfssheriffs, Spielplätze würden zu Kriegsschauplätzen verkommen. Ich kann Ihnen sagen, das ist schlimmer als an jedem Arbeitsplatz! Was man hier auf dem Spielplatz in Sachen Ellenbogenmentalität lernt, wäre sogar für ein Dallas-Drehbuch too much gewesen!
Es fängt an mit dem Spielzeug. Viele Kinder bringen gern ihren Roller, ihr Fahrrad, ihr Dreirad, ihr Bobbycar, ihren Puppenwagen mit. Das wird dann gern gezeigt in der Runde, seht her, was ich habe! Sie kennen das vielleicht aus Ihrem Freundeskreis: Mein Haus, mein Auto, meine Yacht. Sie wissen schon. Aber wehe, ein anderes Kind kommt dem guten Stück zu Nahe! Dann ist Zeter und Mordio angesagt! „Nein! Fass das nicht an! Das ist meins!“ Vorgetragen mit einer Vehemenz, dass man wirklich staunen muss. Natürlich greifen die Eltern ein, wenn sie das wenig nette Verhalten ihres Sprösslings beobachten, selbstverständlich pädagogisch wertvoll: „Leander-Alexander, lass den Kleinen doch, der macht doch nichts. Der will sich das doch nur mal angucken!“ Die Eltern ernten ein zorniges Gesicht und man spürt, wie wütend die Kiddies sind, dass die Eltern ihnen so in den Rücken fallen und diese nicht in der Lage sind, Haus, Hof und Spielzeug gegen den fremden Eindringling zu verteidigen.
"Was man auf dem Spielplatz in Sachen Ellenbogenmentalität lernt, wäre sogar für ein Dallas-Drehbuch too much gewesen!"
Weiter geht´s mit Buddelkram: Schaufel, Eimer, Schippen und Plastikförmchen werden bis aufs Blut verteidigt! Da wackelt mein Kleiner fröhlich auf ein buddelndes Kind zu, selbst mit Eimer und Schaufel bestückt, lässt sich in den Sand plumpsen und fängt an, mit der Schaufel des anderen Kindes seelenruhig zu buddeln. Gut, mein Sohn, ziemlich dreist, er hätte ja wenigstens mal fragen können, ob er das darf. Wobei, seine Fähigkeit, solch komplexe Fragen zu stellen, ist halt mit 18 Monaten noch nicht ganz ausgereift. Aber immerhin sagt er fröhlich lachend „Hallooooo!“ zu dem buddelnden Mädchen. Ich finde, das ist doch schon mal ziemlich höflich, und kann doch durchaus eine Einladung zum Mit-Buddeln nach sich ziehen. Aber denkste! Von wegen! Das Mädchen schaut den Knirps völlig entrüstet an und entreißt ihm sofort ihre Schaufel. „Das ist meine Schaufel! Du hast deine eigene! DA!“ Dann schmeißt das Mädchen meinem Sohn seine eigene Schaufel hin. Wohlgemerkt mit ziemlich viel Verachtung. Mein Sohn lässt sich davon nicht beirren, er schnappt sich einfach eine anderes Buddelgerät von dem Mädchen, ca. 5 Jahre alt. Was daraufhin immer hysterischer wird und nach ihrem Papi schreit. „Papi, das Baby nimmt mir mein Spielzeug weg!“ Ich habe das ganze Getummel von weitem beobachtet und schlendere zu meinem Sohn hinüber. Ich sage dem Mädchen „Du, der nimmt dir das nicht weg, der buddelt nur kurz damit, und dann gibt er dir das wieder. Und du kannst auch mit seinen Sachen spielen, wenn du willst. Ist das okay?“. Das Mädchen schaut mich böse an. Es lässt nicht mit sich verhandeln. „Nein! Der hat sein eigenes Spielzeug!“ Das Mädchen meint es sehr ernst, es zieht im Sand eine Trennlinie und scharrt all sein Spielzeug um sich. „Der soll woanders buddeln! Tu den weg!“ sagt es mir noch. Oha. Dann kommt der Papa von der kleinen Egomanin, er natürlich voll pädagogisch: „Aber Lara, lass das Baby doch mit deinen Sachen spielen, du weißt doch, dass man auch mal was abgeben und teilen muss.“ Er erntet einen verächtlichen, zusammengekniffenen Blick seiner Tochter. Verbissen buddelt das Mädchen weiter, stets argwöhnisch beobachtend, was mein Sohn so macht. Mein Sohn versucht eine Konversation mit ihr zu beginnen, naja, eher eine Brabbelsation, aber das Mädchen geht auf seine Annäherungsversuche nicht ein. Sie lässt ihn spüren, dass er stört. Sobald er sich wieder ein Teil von ihr grabschen will, zieht sie es ihm sofort weg und sagt laut „Nein!“. Mein Sohn lacht, schaut zu mir und sagt dann zu mir lachend „Nein!“, als würde er mir sagen wollen, guck mal Mama, die is´ ja echt komisch mit ihrem ständigen Nein.
Dass das Plastik-Buddelzeug letztlich bloß Cent-Artikel sind, zählt für die Kinder nicht. In dem Moment ist das bunte Poly-Ethylen-Spielzeug made in China alles, was es zu verteidigen gilt. Auf Teufel komm raus.
Nicht nur Buddelkram ist Anlass für Grabenkämpfe, auch ganze spielplatzeigene Gerätschaften, wie Klettergerüste, Rutschen, Schaukeln und Wippen werden in Beschlag genommen. Mein Sohn, mit seinen 18 Monaten natürlich noch nicht so sicher im Rutschen und Klettern und Schaukeln und Wippen, wird von den anderen Kindern ungeduldig zur Seite geschoben. Stünde ich nicht daneben, würde man ihn schubsen. „Ich bin jetzt dran! Geh weg da!“ hört man ständig an Schaukeln, Wippen, Rutschen. Überall „Ich!“ „Ich!“ „Ich!“ oder „Meins!“ „Meins!“ „Meins“. Auch hier natürlich wieder die Eltern daneben: „Anna-Lena, lässt du bitte den Kleinen auch mal rutschen?“. „Nein, das ist jetzt meine Rutsche!“ Ganz ehrlich, wer soll solche Kinder bitteschön sympathisch finden?
Aber das ätzendste Erlebnis hatten wir erst neulich. Auf einem Spielplatz steht eine kleine Holzhütte, innen kleine Bänke, man kann rausgucken. Echt niedlich. Als wir auf den Spielplatz fahren, guckt ein kleines, hübsches Mädchen aus dem Fenster heraus, ca. 7 Jahre alt. Mein Sohn sieht sie, winkt ihr zu und ruft freudig „Haaaaalllllooooo!“. Dann tappelt mein Sohn auf die Hütte zu, will auch reinklettern und sich das ganze von Innen anschauen, aber das Mädchen versperrt ihm den Eingang: „Du darfst hier nicht rein. Das ist meine Hütte!“ Da mein Sohn noch nicht so wirklich in komplexen ganzen Sätzen sprechen kann und demnach des Argumentierens noch nicht mächtig, ergreife ich das Wort: „Hey, der Kleine darf ja wohl mal rein, oder?“ Das Mädchen vehement: „Nein! Ich bin jetzt hier! Und meine Freundin kommt auch gleich! Nur wir Mädchen dürfen hier rein!“ Boah bist du Kacke, denkt mein böses Ich, und am liebsten möchte ich das diesem Mädchen sagen. Mein Sohn krabbelt trotzdem rein, irgendwie schafft er es, 3 Köpfe kleiner, sich an dem Mädchen vorbei zu mogeln. „Nein, geh raus!“ schimpft das Mädchen mit ihm, und es ist dem Mädchen total egal, dass ich, die Mutter des Kleinen, quasi eine erwachsene Autoritäts-Person, daneben stehe. Also ich hätte mich so was früher nicht getraut! Das Mädchen schiebt meinen Sohn raus. Ich zu dem Mädchen: „Hey, jetzt lass den Kleinen doch mal kurz hier spielen und gucken.“ Das Mädchen wieder „Nein, das ist meine Hütte!“ Ich so: „Aha, soso, deine Hütte? Haste die denn bezahlt?“. Das bringt das Mädchen offensichtlich aus dem Konzept. Es hält endlich die Klappe. 1:0 für mich. Aber ich komme mir ehrlich gesagt echt ziemlich dämlich vor, mit einem impertinenten Arschloch-Kind hier rumdiskutieren zu müssen. Dann sage ich zu meinem Sohn frech: „Siehste mal, da haste schon die eine wichtige Lektion gelernt: Mädchen sind blöd!“. Das hat das kleine Biest gehört und es schreit mich an: „Mädchen sind nicht blöd! Jungs sind blöd! Mädchen sind viel besser als Jungs, weil Mädchen sind viel schöner als Jungs!“ Oha, denke ich mir, hier wartet also Casting-Material für Heid Klums Germany´s Next Top Model 2023. Und ich frage mich, woher hat das Mädchen dieses Argument? Wer erzählt dem armen Kind denn bitteschön so was? Mein Sohn guckt das hysterische Mädchen nur an, und schreit dem Mädchen dann sein laut lachendes „Haaaaalllllooooooo!“ ins Gesicht. Ich muss lachen.
Mein Sohn stiefelt mit seinem „Kuki“, das ist sein Kuschelkissen, was er derzeit nicht eine Sekunde aus der Hand gibt, über den Spielplatz. Ein anderer Junge sieht ihn und fragt mich dann „Warum hat der ein Kissen dabei?“ Ich erkläre ihm, dass das sein Kuschelkissen ist, ohne dass er im Moment keinen einzigen Schritt tut. Dann sagt der Junge: „Ich hab ´auch ein Kissen. Und ich hab Autos. Und ich hab ein Fahrrad. Aber mein Kissen ist viel besser als das da von dem da.“ Aha, soso.
"Sozialkompetenz, Rücksicht, Bescheidenheit sind alles Tugenden, die wir unseren Kindern, bitte, beibringen müssen."
Auch toll ist der Futterneid. Da auch ich meinen Sohn bestechen muss, wenn ich nach Hause will (Ganz ehrlich: Ich hasse es, auf Spielplätzen zu sein.) , muss ich ihn mit Bonbons locken. Ich weiß, pädagogisch nicht korrekt, aber Pädagogik kann mich sowieso mal kreuzweise. Als ich ihm ein Bonbon gebe, kommen sofort zwei kleine Jungs angerannt, der eine hat einen Schokokeks in der Hand, so ein Prinzenrollen- Ding. Er zeigt mir seinen angeknabberten Keks und sagt allen ernstes: „Ich hab einen Keks, das ist viel besser als Bonbon! Und vorhin hatte ich noch eine Milchschnitte und meine Mama hat auch noch Äpfel dabei!“ Dabei wiegt sich der Junge so angeberisch hin und her, wie nur Kinder das können, und es fehlte nur noch, dass er „Ätschi-Koletschi“ singt. Hallo, interessiert mich das? Habe ich gefragt? Nein! Ey, Alter, was ist hier nur los, verdammt? War das schon immer so? Ständig dieses „Ich bin besser, ich bin schöner, ich hab mehr, meins ist besser“! Boah, geht mir das auf den Sack. Und bei aller Liebe zu den lieben Kleinen, nein, das ist echt nicht niedlich oder süß oder lustig. Das ist einfach nur nervig. Unsympathisch. Zum Kotzen.
Was lernen wir also? Sozialkompetenz, Rücksicht, Bescheidenheit etc sind alles Tugenden, die wir LERNEN müssen und die wir unseren Kindern, bitte, beibringen müssen. Sie sind nicht automatisch vorhanden. Aber wie um Himmels Willen bringen wir das den kleinen Egomanen bei? Ich gehe davon aus, dass mein Sohn in ein paar Monaten genauso drauf sein wird wie die anderen Kids auch. Und ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Auf dieses ständige Pädagogengelaber und dass ich mich immer wie ein Hilfssheriff einmischen muss, habe ich keine Lust. Aber völlig ignorieren kann ich es ja auch nicht. Wie helfe ich meinem Kind, ohne dass ich eine Mutterglucke bin, aber auch ohne ständig Partei für die anderen Kinder zu ergreifen und meinem Sohn in den „Rücken zu fallen“. Hatte ich schon erwähnt, dass mich Spielplätze echt wahnsinnig machen? Ja, ich bin ratlos.
Ein einziges Mal habe ich bisher auf einem Spielplatz ein kleines Mädchen erlebt, das echt NETT war. Es hat gebuddelt, und als mein Sohn auf das Mädchen zukam, hat das Mädchen ihn angelächelt und ihm seine Schaufel gegeben. Und dann haben beide miteinander gebuddelt. Völlig harmonisch. Und das hat das Mädchen von ganz von sich aus gemacht, ohne Applaus-erheischend zur Mutter rüber zu schielen, um Pluspunkte auf der Mami-Skala einzuheimsen. Hach, war das schön.
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